Rechtsanwalt & Mediator

Alexander ChatzigeorgiouAm Finther Wald 60, 55126 Mainz-Finthen

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Warum Kinder Kinder mobben?

 

Diese Frage kann ich leider auch nicht befriedigend beantworten! Alle Erklärungen von anerkannten Fachleuten die ich gelesen habe sind nur mäßig befriedigend in der Aussage.

 

 

Aber was passiert mit den Kindern? Mit den Mobbern, mit den Gemobbten und mit den übrigen passiven?

 

Die Antworten darauf sind so vielfältig wie die Charakteren der Kinder!

 

Also auch kein Schema "F" welches eine strukturierte Handlung ermöglichen würde um die Situation zu befrieden.

 

Ist es ggf. der falsche Ansatz? Also weg von Mobbern und Gemobbten und hin zum Umfeld!

 

Hier lässt sich schnell ein Schema erkennen, leider! Die Eltern der Gemobbten reagieren (wie zu erwarten) als Beschützer in der Not. Sie stellen sich (wie es ihre Aufgabe ist) schützend vor das Kind und bilden ein autoritäres "Bollwerk" gegen alles und jeden. "Ich muss mein Kind beschützen, denn es kann sich noch nicht selbst beschützen!"

 

Richtig! Oder doch nicht?

 

Also mal raus aus der Elternrolle und mal so tun als wäre es nicht das eigene Kind das gemobbt wird.

 

Sohn, auf dem Elternabend gestern in der Schule haben wir gehört, dass Dein Klassenkamerad  Ingo ganz schön gehänselt wird. Stimmt das?


Nö Papa, wieso auch? Ingo ist immer ganz ruhig und spielt meistens mit den Mädchen.


Sohn, kennen wir Ingo?


Ja Papa, er war mal hier zum Spielen und wurde dann von seinen Papa abgeholt. Der kleine blonde Junge mit den Locken.


Ich erinnere mich, sein Vater hat sich vor den Hunden erschreckt und seinen Sohn gefragt ob sie ihn auch in Ruhe gelassen hätten.


Ja Papa, genau der.


Sohn, was ist denn jetzt mit Ingo in der Schule los?


Naja, Fred und Hans sind nicht so gut in Mathe und Ingo hat das ganz schön gut drauf. Manchmal wenn wir Kopfrechnen machen und Hans zu langsam ist fragt die Lehrerin einfach Ingo und der weiß immer die richtige Antwort. In der Pause lassen Fred und Hans den Ingo dann manchmal nicht aus der Klasse.


Und?


Letzte Woche beim Sport kam Ingo mit einer blutenden Nase aus der Umkleide. Er sagte er hätte plötzlich Nasenbluten bekommen. Doch Hans und Fred haben so komisch gegrinst. Ich glaub die haben ihm eins auf die Nase gegeben und Patrik glaubt das auch.


Sohn, hast Du es gesehen oder wird das "nur" erzählt?


Gesehen habe ich es nicht aber Hans und Fred Schubsen Ingo jetzt auch öfter mal herum und Ingo hat letztens in Mathe so getan als hätte er die Aufgabe nicht gehört als die Lehrerin ihn wieder dran nahm.


Sohn, hast Du mit der Sache was zu schaffen?


Nein Papa, ich halt mich da ganz raus! Und damit auch mir nix passiert spiel ich auch nicht mehr mit Ingo!


Gut Sohn, da müssen wir uns also keine Gedanken machen.

Geh jetzt in dein Zimmer, morgen ist Schule, gute Nacht mein Sohn.


Gute Nacht Papa.


Mutter, unser Sohn hat mit der Sache in der Schule nix zu schaffen! Er hält sich aus allem raus. Wusstest Du, dass der Ingo schon mal hier war? Es ist der Junge mit dem "komischen" Papa der wegen der Hunde "geblökt" hat. Kein Wunder bei dem Vater!

 

So oder ähnlich passiert es leider oft. Aber was ist passiert?

 

Sohn hat gelernt: Finger weg von Ingo! Papa sieht das genauso.

 

Papa hat einen Grund für sich gefunden warum Ingo in der Schule gemobbt wird.

 

Die Welt ist in Ordnung, denn der eigene Filius (Gottes Sohn) hat die Situation "geblickt" und macht keinen Ärger.

 

Und der nächste Schultag kommt!

 

Fred und Hans machen "ihr Ding" mit Ingo. Peter, der größte und "kräftigste" in der Klasse bekommt mit wie Fred und Hans den Ingo auf dem Schulhof anfangen mit kleinen Steinen zu bewerfen und macht sich gerade auf den Weg um Ingo zur Seite zu stehen, weil er das blöd findet, da geht Sohn auf Peter zu und sagt, mein Papa hat gesagt ich soll mich da raus halten! Peter bleibt stehen, denkt kurz nach und gibt sein Vorhaben, Ingo zu helfen, auf.

 

Was ist passiert?

 

Wer nichts tut macht mit!

 

Ohne es zu wollen haben Vater und Sohn eine Unterstützergruppe für Fred und Hans geschaffen! Jetzt wo auch der große Peter sich raus hält wird Ingo wahrscheinlich keinerlei Unterstützung aus der Klasse mehr erfahren.

 

Er ist aus dem Klassenverband raus!

 

Seine Leistungen in der Schule werden nach und nach schlechter und zu Hans und Fred gesellen sich noch ein paar Klassenkameraden dazu die ab und an den Ingo hänseln.

 

Die Lehrerin bekommt das selbstverständlich mit und versucht die Situation zu lösen. Zunächst durch mahnende Worte, dann folgen Einzelgespräche mit Fred und Hans und dann?

 

Jetzt ist Ingo das tatsächliche Feindbild! Der Ingo ist daran schuld, dass ich von der Lehrerin eine übergebraten bekommen habe! (So im Kopf von Hans und Fred)

 

Und die Eltern von Hans und Fred? (siehe oben!) Stellen sich schützend vor das Kind! (Gelernt ist eben gelernt! Und richtig, denn Kinder muss man beschützen!)

 

Jetzt haben wir alle Akteure zusammen! Ingo als Gemobbten mit seinen Eltern die (berechtigt) höchst "ALARMIERT" sind.

 

Hans und Fred, die Mobber mit ihren Eltern (die die Aufregung gar nicht verstehen, denn das ist doch nur Kinderkram).

 

Und die Unterstützergruppe (die gar nicht weiß, dass es sie gibt!)

 

Lösung?

 

Lassen Sie uns über die Situation reden, alle zusammen! (Wir erinnern uns, nach den letzten Reden wurde alles noch schlimmer für Ingo!)

 

Lösung also (-)

 

Und jetzt?

 

Schulwechsel vom Ingo? Aber was wird das in Ingo auslösen? Sicherlich hat er auf einer "neuen Schule" die Möglichkeit sich in dem neuen Klassenverband neu zu integrieren. Doch fühlt er sich dabei gut? Oder kommt er sich etwa wie ein "Verlierer" vor?

 

Vermeiden, ausweichen  und die Situation umgehen scheint also auch hier nicht der richtige Weg zu sein.

 

Also, darüber reden scheint keine Lösung zu sein und der Situation ausweichen auch nicht.

 

Doch Moment mal, Reden hilft doch fast immer! Es kommt nur darauf an, wer mit wem und über was!

 

Wie wäre es denn wenn:

 

Die Lehrerin als Vertrauensperson zunächst mit Ingo ein Gespräch alleine führt, ohne dass es die übrige Klasse mitbekommt?

 

Ingo, ich habe bemerkt dass Deine Leistungen in der Schule schlechter geworden sind und Du dich zurückgezogen hast. Ich habe darüber mit Deiner Religionslehrerin gesprochen und sie empfindet es ebenfalls so. Ich finde das sehr schade und würde Dir gerne helfen das wieder zu ändern. Dazu müsstest Du mir aber bitte erzählen was los ist. Ich versichere Dir, dass das alles unter uns bleibt.  (oder ähnlich).

 

Wenn die Lehrerin es schafft zu Ingo ein vertrauensvolles Verhältnis aufzubauen wird er ihr seine Situation berichten und auch die Akteure nennen. Die Lehrerin sichert nochmals Vertraulichkeit zu und vereinbart mit Ingo einen weiteren Termin in etwa 14 tagen.

 

Soweit so gut, aber was nun? Mit "harter Hand" durchgreifen hat ja keine Lösung gebracht also umdenken.

 

Wie wäre es wenn nun die Lehrerin Hans, Fred, Peter und Sohn zu einem Gespräch einladen würde?

 

Auch hier tritt die Lehrerin als Vertrauensperson auf. Hans und Fred werden vor dem Gespräch ganz schön angespannt sein, denn sie wissen ja, dass sie etwas "falsch gemacht haben".

 

Hallo Hans, Fred, Peter und Sohn, danke dass ihr meiner Einladung zu einem Gespräch gefolgt seid. Ich brauche in einer sehr wichtigen Sache dringend Eure Hilfe! (Hans und Fred werden zusehends "locker"!) Sicherlich habt Ihr alle auch bemerkt, dass Ingo sich in letzter Zeit verändert hat. Das finde ich sehr sehr schade und ich möchte Euch bitten mir dabei zu helfen Ingo wieder für die Schule und das Lernen zu begeistern. Seid ihr bereit mir hier zu helfen?

 

Keines der Kinder wird ablehnen hier der Lehrerin zu helfen!

 

Was ist geschehen?

Wir reden immer noch über den "gemobbten" Ingo, doch haben wir die Perspektive gewechselt! Es geht jetzt für die Gruppe (Hans, Fred, Peter und Sohn) nicht mehr darum Ingo zu helfen sondern ihrer Lehrerin!

 

Die Gruppe wird schnell Vorschläge machen wie man (für die Lehrerin) Ingo helfen kann und diese auch in die Tat umsetzen. Wichtig ist, dass die Verantwortung dafür bei der Gruppe bleibt! Es wird jetzt schon ein Termin für ein weiteres Gespräch vereinbart um zu sehen ob die Vorschläge der Gruppe etwas gebracht haben (etwa 14 Tage später).

 

Wichtig: Keine Schuldzuweisungen, keine mahnenden Worte etc.

 

Die Lehrerin sollte sodann ihre Wertschätzung und ihren Dank gegenüber den Schülern zum Ausdruck bringen und sie wieder in die Klasse / nach Hause entlassen. Am nächsten Schultag geht es los!

 

Und siehe da, die Mobber mobben nicht mehr! Mit der Zeit werden sie sogar aktiv und beginnen Ingo wieder zu integrieren.

 

Ingo beginnt sich "verhalten" wieder wohl zu fühlen in der Schule und der Klasse und seine Leistungen und sein Verhalten bessern sich.

 

Zum vereinbarten Termin treffen sich Ingo und die Lehrerin erneut (alleine). Ingo wird berichten was geschehen ist und mit etwas Fingerspitzengefühl wird die Lehrerin auch noch mehr von Ingo erfahren.

 

Sodann trifft sich die Lehrerin mit der Unterstützergruppe und lässt sich von ihr berichten wie es war. ggf. werden weitere Maßnahmen besprochen um Ingo zu helfen, falls nötig.

 

Und siehe da, die Mobbingsituation ist aufgelöst ohne das einer der Beteiligten sein "Gesicht verloren hat". Der Klassenverband besteht wieder und keiner ist ausgeschlossen.

 

Die Eltern der beteiligten Schüler haben die Veränderungen der Kinder auch wahrgenommen und sehen "gelassen" in die Zukunft. Sie sehen keine Notwendigkeit sich hier verstärkt in die Angelegenheit einzumischen.

 

Das Mobbing von Ingo ist GESCHICHTE!

 

Sicherlich läuft es nicht immer so "glatt" durch und auch im vorliegenden Fall gab es noch ein paar zusätzliche Klippen die umschifft werden mussten. Aber die Methode hat eine sehr hohe Erfolgsquote!

 

Wichtig ist die Situation frühzeitig zu erkennen. Also die "Mobbingbrille" aufsetzen und nach den Anzeichen von Mobbing suchen. Lieber einmal zu viel als zu wenig reagiert.

Je schneller sie handeln umso leichter lässt sich die Situation auflösen.

 

Informieren sie zumindest die Eltern des Gemobbten und bitten sie sie um Zeit für die Bearbeitung der Situation.

 

Anwälte, Psychologen oder die Polizei haben jetzt (solange kein strafrechtlich relevantes Verhalten gegeben ist) nichts in der Situation zu suchen!

 

Die Schule ist ein "Mikrokosmos" mit ganz eigenen Regeln und Strukturen. Wenn sie die Situation in der Schule (Klasse) lösen dann werden die Betroffenen dies auch in ihren Alltag übernehmen!

 

 

Kommen wir zurück auf die Ausgangsfrage. Warum Kinder Kinder mobben konnte auch ich ihnen nicht beantworten. Aber ich habe ihnen einen Weg aufgezeigt wie man Mobbing in Schulen und Kindergärten nachhaltig und erfolgreich beenden kann.

 

Kindergarten?

 

Ja, der Mensch ist ein "Hordentier" und immer wenn er soziale Kontakte außerhalb der Familie knüpft besteht die Gefahr das Mobbing entsteht. Kinder können sehr hart sein und beispielsweise schon wegen einer "Andersartigkeit" vorbehalte entwickeln. Sicherlich kann man diese Vorbehalte bei Kleinkindern schneller in den Griff bekommen, doch hier fängt, im Zweifel, die Spirale schon an sich zu drehen.

 

Verkennen Sie bitte nicht die Situation, gehen sie offen damit um. Mobbing bei den "Kleinen" ist genauso schlimm, wenn nicht gar schlimmer, wie in der Erwachsenenwelt!